Herzlich Willkommen bei kath 2:30, dem Blog der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Hier geht es zum Videopodcast von kath 2:30.
Besuchen Sie auch die Mystagogische Kirchenführung.
Oder die Seite des Heiligen Laurentius, unter Stadtpatron Wuppertal.

kath 2:30 Dies DominiDie Straßen waren laut. Das Geschrei war groß. Man ging für den Frieden in Palästina auf die Straße und rief Parolen, die die Existenz Israels in Frage stellten. Nichts weniger meint der Ruf „From the River to the Sea …“. Israel, dem am 7. Oktober 2023 ein genozidales Massaker der Hamas widerfuhr, dem wahllos 1.200 Menschen zum Opfer fielen und 250 Menschen als Geiseln entführt wurden, ist schuld. Israel scheint immer schuld zu sein. Die Art des Massakers war von Vernichtung und Auslöschungswillen geprägt. Wer Babys tötet, Männer und Frauen genital verstümmelt und wahllos Menschen allein deshalb tötet, weil sie Juden sind, hat die Vernichtung eines Volkes im Sinn. Wie bitte soll man als Staat auf ein solches Massaker reagieren? Viele scheinen zu wissen, was unverhältnismäßig an der Reaktion Israels war. Niemand aber sagt, wie eine verhältnismäßige Reaktion aussähe.

Die bestialische Untat der Hamas hat das eigene Volk in tiefes Leid geführt und zur Verwüstung des eigenen Landes geführt. Jetzt, endlich, sind die Geiseln frei – und die Waffen ruhen. Ist jetzt schon Friede in Gaza? Wohl kaum! Die selbst ernannten Gotteskrieger marodieren durch die Gebiete, aus denen sich Israel zurückgezogen hat. Sie töten und richten öffentlich ohne jedes Verfahren Gegner hin. Erstaunlich, wie viele Zivilisten auf den grausamen Videos zu sehen sind. Erstaunlich auch, wie viele Kinder da zuschauen. Sieht so das freie Palästina aus? Warum ist es still geworden auf den Straßen? Warum ist der Protest verstummt? Ist es ok, wenn die Hamas wahllos tötet und dabei ruft, Gott sei groß?

Der Krieg, den die Hamas ausgelöst hatte, ist furchtbar. Jeder Krieg ist grausam. Der Krieg nimmt wahllos Leben. Jedes genommene Leben ist ein Leben zu viel. Genau deshalb fällt Gott dem Kain in die Arme, als er dessen heißen Neid auf seinen Bruder Abel spürt. Kain tötet seinen Bruder Abel trotzdem. Dessen Blut schreit zum Himmel. Es klagt den Mörder an. Spät – zu spät erkennt Kain seine Schuld:

„Zu groß ist meine Schuld, als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du hast mich heute vom Erdboden vertrieben und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen; rastlos und ruhelos werde ich auf der Erde sein und jeder, der mich findet, wird mich töten.“ (Gen 4,13f)

Er ist bereit die Folgen der Schuld zu tragen. Er weiß, dass er den Tod verdient hat. Gott aber schützt das Leben des Mörders:

„Jeder, der Kain tötet, soll siebenfacher Rache verfallen.“ (Gen 4,15)

Unser Rechtsstaat schützt das Leben. Das Grundgesetz stellt in Artikel 1 unmissverständlich fest:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Die Würde des Menschen ist bedingungslos. Sie kennt keine Voraussetzungen. Weder Geschlecht noch Hautfarbe noch Religion noch sonst irgendeine Eigenschaft schränkt sie ein.  Wie aber kann es dann sein, dass Juden sich dafür entschuldigen müssen, Juden zu sein. Wieso müssen sie sich für einen aufgezwungenen Krieg rechtfertigen? Wie kann es sein, dass ernsthaft darüber diskutiert wird, ob eine israelische Nationalmannschaft von der WM und israelische Künstler vom ESC ausgeschlossen werden sollen? Wie kann es sein, dass Juden, selbst wenn sie gar keine israelische Staatsbürgerschaft haben, Erklärungen abgeben müssen, sie seien nicht mit der Regierung Israels einverstanden, damit sie nicht von Konzerten, Vorträgen oder Kongressen ausgeladen werden? Wie kann es sein, dass in Berlin und anderswo mit lauten Parolen der Tod von Juden gefordert wird und es in Manchester oder vor wenigen Jahren in Halle nicht bei Worten bleibt? Wie kann es sein, dass immer noch allzu viele sagen, sie seien ja keine Antisemiten, aber Freund der Juden sei man auch nicht? Doch, das ist antisemitisch. Da geht es nicht um Kritik an der Regierung Israels, es geht um dieses Judendings. Was aber stört die Menschen an diesem Volk, in dem das Christentum seine Wurzeln hat?

Die Unfähigkeit zu trauern aber scheint wieder um sich zu greifen. Zu vielen wurde seit dem 7.10.2023 ihr Leben genommen – Juden, Beduinen, Thailänder, Philippinos und Araber. Vielleicht wäre die Trauer der Moment, in dem die Würde des Menschen greifbar wird – jenseits von Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sonst irgendeiner Eigenschaft. Jedes Leben ist zu wertvoll, um einfach so genommen zu werden. Vielleicht würde in der Trauer vereint der Friede eine Chance bekommen. Was glauben Sie denn?

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht  in der Westdeutschen Zeitung vom 17. Oktober 2025.

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

Du kannst einen Kommentar schreiben.

Hinterlasse einen Kommentar